Angewandte Ökobilanzierung bei Gebäuden – ein Dutzend Thesen
Die angewandte Ökobilanzierung ist eine Methode im Kontext der Lebenszyklusanalyse. Auf der Basis der Erfassung von Energie- und Stoffströmen im Lebenszyklus eines Betrachtungsgegenstands werden potenzielle Wirkungen auf die globale Umwelt ermittelt. Im Bau- und Gebäudebereich sind Bauprodukte, Bauteile und Bauwerke typische Betrachtungsgegenstände.
Die angewandte Ökobilanzierung kann die Auswirkungen einer kreislaufgerechten Planung auf die Stoffströme abbilden, die jeweilige Einbau- und Verbundsituation sollte jedoch zusätzlich beschrieben werden. Sie ist nicht für die Erfassung und Bewertung von Emissionen in die lokale Umwelt und in die Raumluft geeignet. Für die Berücksichtigung von Wirkungen auf die lokale Umwelt, die Beurteilung der Raumluftqualität sowie die Abschätzung von Risiken für Umwelt und Gesundheit müssen zusätzliche Methoden eingesetzt werden.
Die angewandte Ökobilanzierung baut auf den Grundlagennormen ISO 14040 und ISO 14044 auf. Der Verweis auf diese Grundlagennormen reicht für die Feststellung der Normkonformität einer Ökobilanz von Gebäuden nicht aus. Eine spezifische Auseinandersetzung mit den Normen DIN EN 15804 und DIN EN 15978 in ihrer jeweils aktuellen Form ist notwendig und legt die Rahmenbedingungen für die Ökobilanzierung von Bauprodukten und Bauwerken fest. Einsteigern in die Thematik sollten sich zunächst auf DIN EN 15804 bzw. DIN EN 15978 konzentrieren.
Für die Anwendung der Ökobilanzierung im Rahmen der Bewertung der Umweltqualität von Gebäuden bedarf es vorgegebener bzw. gewählter Indikatoren, spezifischer Systemgrenzen und Rechenregeln, definierter Datengrundlagen sowie Bewertungsmaßstäbe und Anforderungsniveaus. Diese bilden jeweils eine untrennbare Einheit. Eine aktuelle Grundlage bilden die Vorgaben des Qualitätssiegels Nachhaltiges Gebäude (QNG) für die Ermittlung und Bewertung des Aufwands and Primärenergie nicht erneuerbar sowie die Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus. Für übrige Indikatoren wird auf das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) sowie den Stand der Normung verwiesen.
Die Ökobilanz eines Gebäudes umfasst einen gebäudebezogenen Teil und einen betriebsbedingten Teil. Verwendet wird ein Gebäude- und Lebenszyklusmodell sowie ein definierter Betrachtungszeitraum. Dieser Zeitraum ist nicht identisch mit der technischen Lebens- bzw. wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Gebäudes. Einbezogen werden kann eine Ertragsberechnung für solare Gewinne, die als Solarstrom, solare Wärme oder solare Kühlung zunächst für das Gebäude genutzt werden können. Im bzw. am Gebäude gewonnene und an Dritte gelieferte Energie sowie die hierdurch potenziell vermiedenen Emissionen und Umweltwirkungen können als Zusatzinformation angegeben werden.
Die ökobilanzielle Bewertung erfordert als Eingangsgrößen u.a. die Ergebnisse einer Energiebilanz nach GEG, ggf. die Ergebnisse einer Ertragsberechnung für Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie im bzw. am Gebäude und/oder auf dem Grundstück für den betriebsbedingten Teil sowie eine Liste der geplanten bzw. tatsächlich verbauten Produkte für den gebäudebezogenen Teil.
Der Aufwand für eine ökobilanzielle Bewertung von Gebäuden kann durch die Nutzung von Synergieeffekten reduziert werden. Eine Energiebilanz nach GEG ist ohnehin erforderlich, die Dimensionierung und Ertragsberechnung bei Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie ebenso. Die Erstellung einer Liste verbauter Produkte wird künftig die Basis für einen digitalen Ressourcenpass sein. Die Bearbeitung des gebäudebezogenen Teils der Ökobilanz entspricht den Schritten einer Bau- bzw. Lebenszykluskostenermittlung und kann parallel zu dieser erfolgen.
Die ökobilanzielle Bewertung von Gebäuden kann durch den Einsatz norm- und regelkonformer sowie qualitätsgesicherter Software unterstützt werden. Diese Software schließt vorzugsweise u.a. eine Verknüpfung mit geeigneten, an die jeweilige Planungsphase angepassten Datengrundlagen ein, die eine Basis für den gebäudebezogenen Anteil liefern.
Eine ökobilanzielle Bewertung von Gebäuden kann und sollte planungsbegleitend erfolgen. Unter Nutzung geeigneter Hilfsmittel wie qualitätsgesicherter Ökobilanzierungssoftware, digitaler Bauwerksmodelle (BIM), Bauteilkataloge usw. ist eine zeit- und kostensparende Bearbeitung durch Vertreterinnen und Vertreter der planenden Berufe möglich.
Die Ergebnisse der ökobilanziellen Bewertung können in der Version „wie geplant“ über Variantenvergleiche in die Beurteilung und Weiterentwicklung von Entwurfsvarianten sowie die Nachweisführung einfließen und in der Version „wie gebaut“ gegenüber Dritten kommuniziert werden.
Die Ergebnisse der ökobilanziellen Bewertung lassen sich für den gebäudebezogenen Teil in der Realität nicht überprüfen. Dies stellt hohe Anforderungen an die Qualität der Berechnung und an die Qualifikation und Kompetenz der Bearbeiterinnen und Bearbeiter.
Es wird erwartet, dass Deutschland dem Vorbild von Nachbarländern wie Frankreich und Dänemark folgt und Anforderungen zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus von Gebäuden in das Ordnungsrecht integriert. Im Kontext der Diskussion zur künftigen EU-Gebäudeenergieeffizienzrichtline wird derzeit diskutiert, wo und wie die Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus eines Gebäudes zu dokumentieren und zu kommunizieren sind. Der Nachweis der Einhaltung entsprechender Anforderungen bzw. die Erfüllung von Kommunikationspflichten setzt eine norm- und regelkonforme Ökobilanzierung voraus.